Initiative offene Nachbar_innenschaft Leipzig-Lindenau

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Wir dokumentieren hiermit die folgende Stellungnahme zur Diskussion um Flüchtlingsunterkünfte in Leipzig, die wir mit befreundeten Projekten / Gruppen gemeinsam verfasst haben: Wir sind Bewohner_innen, Vereine und Initiativen im Stadtteil Lindenau und möchten unsere grundsätzliche Unterstützung für das im Mai 2012 von der Stadt Leipzig vorgelegte Konzept zur „dezentralen Unterbringung von Asylsuchenden“ erklären. Damit soll die Sammelunterkunft in der Torgauer Straße, die derzeit 230 Asylsuchenden Platz bietet, geschlossen werden. Die dort lebenden und neu nach Leipzig kommenden Menschen sollen von nun an in Wohnhäusern im gesamten Stadtgebiet wohnen.

Dieses Konzept ist für uns ein Schritt in die richtige Richtung, denn die Lebensbedingungen der betroffenen Menschen werden damit verbessert. Dennoch stört uns, dass weiterhin Asylsuchende auf engstem Raum (7,5 m² pro Person, in Zweibettzimmern) zusammenleben müssen. Da derzeit in Leipzig ca. 60% der Asylsuchenden bereits in eigenen Wohnungen leben, ist tatsächlich dezentrales Wohnen offenbar möglich. Wir fordern daher von der Stadt Leipzig und vor allem vom Land Sachsen, die Aufenthaltsdauer von Asylsuchenden in Wohnheimen auf eine kurze Orientierungsphase zu verringern und sie so früh wie möglich in dezentralen Wohnungen unterzubringen.

Immerhin ist mit dem Konzept jedoch eine Verbesserung zum derzeitigen Zustand erkennbar: Die Verteilung der Asylsuchende auf mehrere Orte verringert das Maß ihrer Ausgrenzung. Die neuen Standorte erlauben zumindest teilweise einen Austausch mit der übrigen Bevölkerung, gegenseitiges Kennenlernen oder gemeinsame Freizeitaktivitäten. Zusätzlich soll auch der Zustand der neuen Unterkünfte im Vergleich mit der in der Torgauer Straße deutlich verbessert werden.

Der Ablehnung und teils rassistischen Stimmungsmache einiger Anwohner_innen gegen die neuen Standorte möchten wir ein klares Zeichen entgegensetzen. Wir freuen uns auf unsere zukünftigen Nachbar_innen und sagen ausdrücklich: Menschen, die vor Krieg, Verfolgung oder aus anderen Gründen geflohen oder auch bloß ausgewandert sind, möchten wir in dieser Stadt und in unserer Nachbarschaft herzlich willkommen heißen!

Wir wünschen uns, dass die Stadt Leipzig weitere Schritte unternimmt, um die Lebensbedingungen für Flüchtlinge zu verbessern, indem sie zum Beispiel auf die Abschaffung der Residenzpflicht hinwirkt. Weiterhin treten wir dafür ein, dass Flüchtlingen ein kostenloser Zugang zu Sprachkursen gewährt wird, der es ihnen ermöglicht, die deutsche Sprache soweit zu lernen, wie sie es für nötig halten.

Wir, die Unterzeichnenden, fordern die Ratsversammlung der Stadt Leipzig daher auf, das Konzept „Wohnen für Berechtigte nach dem Asylbewerberleistungsgesetz in Leipzig“ (Beschlussvorlage V/1904) zu beschließen und weitere Schritte zu unternehmen, um Flüchtlinge gleichzustellen.

Viele von uns sind selbst Eigentümer_innen der Häuser, in denen wir wohnen und arbeiten. Die zum Teil in der Debatte geäußerten Ängste vor einem angeblichen Wertverlust der Immobilien oder einem drohenden Auszug der Mieter_innen aufgrund von Asylbewerber_innen in der Nachbarschaft können wir nicht nachvollziehen. Wir bekunden hiermit gleichzeitig ausdrücklich unseren Wunsch, dass auch in Lindenau Raum für die dezentrale Unterbringung von Asylsuchenden bereitgestellt wird.

Casablanca e.V. und Bewohner_innen der Josephstr. 12
permanent e.V., Josephstr.
Initiative für anachronistische und retrograde Kulturentwicklung e.V. und Bewohner_innen der GutsMuthsstr. 47
Kunstraum Ortloff, Jahnallee 73
AuV e.V. und Bewohner_innen der Lützner Str. 30
Henriette e.V. und die künftigen Bewohner_innen der Henriettenstr. 7
Bewohner_innen der Demmeringstr. 21
Kunstraum Demmering 74 sowie Eigentümer und Bewohner_innen der Demmeringstr. 72 und 74
Handstand & Moral und Bewohner_innen der Merseburger Str. 88b
Wohn- und Kulturverein Holteistr. e.V. und Bewohner_innen der Holteistr. 7
kunZstoffe e.V., Bewohner_innen und Nutzer_innen der Georg-Schwarz-Str. 7
hinZundkunZ und Bewohner_innen der Georg-Schwarz-Str. 9
Wohnungsgesellschaft mbH Central LS W33 und zukünftige Bewohner_innen der Georg-Schwarz-Str. 11 und Merseburger Str. 102/104
Kunterbunte 19 und zukünftige Bewohner_innen der Georg-Schwarz-Str. 19
Latz e.V. und Bewohner_innen der Merseburger Str. 108
Bewohner_innen der Calvisiusstr. 9
Bewohner_innen der Calvisiusstr. 44
Bewohner_innen der Merseburger Str. 127
Lindenauer Stadtteilverein e.V.

 

Reaktionen in der Presse und in der Stadt Leipzig

Leipzig-Fernsehen, 16. Juli 2012
Flüchtlingskonzept in Leipzig: „Offene Nachbarschaft Lindenau “ will Einrichtungen bereitstellen!
http://www.leipzig-fernsehen.de/default.aspx?ID=5846&showNews=1189834

MDR Sachsen, 16. Juli 2012
Regionalstudio Leipzig – Nachrichten um 15:30 Uhr
http://www.mdr.de/sachsen/leipzig/nachrichten116.html#anchor2

Willkommene Flüchtlinge
In der Diskussion um die dezentrale Unterbringung von Asylbewerbern in Leipzig äußern sich jetzt immer mehr Befürworter dieser Lösung. Nach Anwohnern der Markranstädter Straße hat sich auch in Lindenau eine Initiative für eine offene Nachbarschaft gegründet. Sie wolle sich ausdrücklich für bessere Wohn- und Lebensbedingungen für Flüchtlinge einsetzen, so Mitstreiter Gerhard Neumcke und vor Ort zur Integration beitragen. Man habe keine Angst, dass das Viertel abgewertet oder die Immobilienpreise in Lindenau sinken würden. Das Viertel würde vielmehr bunter.

3Viertel, Ausgabe 7-2012
Initiative offene Nachbarschaft
http://www.3viertel.de/Aktuell-initiative_offene_nachbarschaft_-263.htm

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  1. Pingback: BürgerInnen gegen neue Unterkünfte für Asylsuchende in Leipzig : Juliane Nagel

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